Mittwoch, 14. September 2016

Heim ins EU-Reich - Reichsminister Juncker droht

von Thomas Heck...

„Die Europäische Union ist zur Zeit nicht in Top-Form.“ So lautet die ungeschönte Analyse des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. Ich würde eher sagen, Europa ist im Arsch und nicht wenige würden mir bei dieser Lageeinschätzung zustimmen.

Der „EU-Chef“ hielt heute zum zweiten Mal vor dem Europaparlament in Straßburg eine Rede zur Lage des Europäischen Reiches, äh der Europäischen Union. Und er ging knallhart ins Gericht mit Populisten, die gegen Europa giften. Mit Populisten meint er sicher Sie und mich, die dieses Europa nicht mehr in ganz so rosa Farben betrachten, wie die Profiteure dieses undemokratischen Bürokratie-Monsters.


Juncker kritisierte auch Politiker, die in Brüssel EU-Beschlüssen zustimmen und dann daheim in ihren Ländern den Eindruck erweckten, sie seien nicht dabei gewesen. Da dann bitte mal Butter bei die Fische und Namen nennen, weil das würde den Wähler in den einzelnen Nationalstaaten durchaus interessieren.

Die Menschen erwarteten von der EU handfeste Beschlüsse und ließen sich nicht länger an der Nase herumführen. Der Kommissionspräsident stand bereits vor seiner Rede mächtig unter Druck, der Gemeinschaft einen Weg aus der Krise zu weisen. Und versuchte dem gerecht zu werden.
„Engagierte Reden zu Europa müssen von allen in ihren Nationalparlamenten gehalten werden. Das hier zu tun erfordert wenig Mut,“ sagte Juncker. Allzu oft werde außerdem exklusiven Nationalinteressen Vorrang eingeräumt. Bei EU-Parlamentariern sind es dagegen eher pekuniäre Interesse. Selbst einem Martin Schulze geht es ums Geld, um das eigene Geld.

Den Brexit sieht Juncker offenbar mit Bedauern, aber ohne Panik. Das wirkt aber anders, Herr Juncker, Ihnen ist die Angst förmlich ins Gesicht gemeißelt, weitere EU-Länder könnten Ihrem europäischen feuchten Traum abrupt beenden und der Geldsegen Ihres üppigen Salärs könne versiegen. Die EU bedauere die Entscheidung der Briten zum Austritt der EU „aber die Europäische Union ist in ihrem Bestand nicht gefährdet“, sagte Juncker. Einige Entwicklung ließen allerdings vermuten, „dass wir es in Teilen mit einer existenziellen Krise der Europäischen Union zu tun haben“.

Die Brechstange ist kein Instrument der Europäischen Union. „Wir sind keine Nihilisten,“ sagte Juncker. „Wir wollen die Nationalstaaten nicht plattwalzen,“ argumentierte er weiter und setzte unter Beifall hinzu: „Populismus löst keine Probleme, im Gegenteil, Populismus schafft Probleme.“ Wenn aber im gleichen Atemzug Ländern wie Ungarn an den Pranger gestellt werden, weil sie die selbstmörderischer Flüchtlingspolitik Angela Merkels nicht mitfinanzieren wollen, und das zu Recht, hört man aber die Brechstange schon knarren. Fehlt noch, dass EU-kritische Staaten besetzt werden. Die Vorstellungskraft, dass es EU-Bürger gibt, die lieber ihre Nationalstaaten behalten wollen, so wie die Briten, fehlt Juncker.

„Europa ist nicht sozial genug. Das müssen wir ändern“, führte der EU-Kommissions-Chef weiter aus. Die Arbeitslosigkeit sei zu hoch, auch die Schuldenstände seien zu hoch. Ja, klar, weil dieses Bürokratiemonster als Selbstbedienungsladen Milliarden kostet, Nutzen fraglich. Der europäische Lebensstil sei es wert, erhalten zu bleiben. Dem stimme ich zu, dazu bedarf es aber keiner EU. Europa bedeute Frieden sagt er. Mit der Europäischen Gemeinschaft habe die längste Friedensperiode von bisher 70 Jahren in Europa begonnen. Die Kriege auf dem Balkan scheinen vergessen, der Zypern-Krieg nie geschehen. Junckers Gesichtsverständnis versetzt mich in Staunen.

Juncker forderte energisch auch faire ökonomische und soziale Bedingungen in der EU. „Europa ist nicht der Wilde Westen. Hier gilt: soziale Marktwirtschaft ohne soziales Dumping!“

Ein Thema liegt Juncker ganz besonders am Herzen, die Jugend: „Wir müssen die Bedingungen anderswo zu verbessern. Wir müssen in die jungen Menschen investieren. Ich will und kann es nicht akzeptieren, dass die Generation Y die sein wird, die ärmer sein wird, als ihre Eltern. Die EU kann da entgegenwirken.“

Um die Wirtschaftsflaute in Europa zu überwinden, will Juncker sein 2014 gestartetes Investitionsprogramm verdoppeln: Statt 315 Milliarden Euro binnen drei Jahren sollen nun 630 Milliarden bis 2020 erreicht werden, kündigte Juncker an. Und wer bezahlt das, Saftsack?

Auch aus das Thema Sicherheit ging Juncker ausführlich ein und sagte: „Wir müssen Terroristen zeigen, dass sie keinerlei Chance haben unsere Werte anzutasten.“ Es tun sie aber fortwährend und ohne, dass irgendeine Instanz sie daran hindert. Er sprach sich aber auch für einen effizienten Schutz der EU-Außengrenzen aus: „Man müsse wissen, welche Individuen über unsere Grenzen kommen. Aber Ungarn bedrohen, die als einziges Land die Chuzpe hatten, einen Zaun zu bauen. Zur Flüchtlingskrise sagte Juncker, man müsse in den Herkunftsländern investieren. Was denn noch alles? Ein Zaun reicht doch schon mal.

Am Freitag treffen sich 27 EU-Staats- und Regierungschefs ohne die britische Premierministerin Theresa May zu Beratungen über die Zukunft Europas nach dem Brexit-Votum. Kurz vor Junckers Rede hatte der für die Vorbereitung der EU-Gipfeltreffen zuständige EU-Ratspräsident Donald Tusk die Staats- und Regierungschefs gewarnt, die Lehren aus dem Austrittsvotum der Briten zu ignorieren. Viele EU-Bürger stellten sich ähnliche Fragen und wollten von Europa Schutz und Stabilität, schrieb Tusk im Einladungsschreiben zu dem Treffen.

Viele Themen, wenig Lösungen. Wenn es eines ist, was mir an der Rede Junckers in Erinnerung bleiben wird, ist es die absolute Ratlosigkeit und die gehörige Portion Angst. Denn Juncker hat begriffen, dass die EU zur Disposition steht.

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